Gehetzt (1937)

Written by Kalla Malla on June 8, 2013

»Gehetzt« (»You Only Live Once«) aus dem Jahr 1937 war der zweite Film, den Fritz Lang nach seiner Auswanderung in Hollywood drehte, eine düstere und bittere Anklage gegen das Justizwesen und die Macht des Schicksals. Der junge Henry Fonda spielt einen gerade aus dem Gefängnis entlassenen Kriminellen, der ein neues Leben anfangen möchte, dann aber fälschlicherweise für einen Bankraub verantwortlich gemacht und zum Tode verurteilt wird. Als sich die Möglichkeit zur Flucht bietet, nutzt er sie, doch sein Schicksal ist längst vorbestimmt...

Erstaunlich, mit welcher Wut und Abgeklärtheit Lang als Außenseiter und Neuankömmling in Hollywood dieses Plädoyer gegen Gesellschaft im allgemeinen und die Todesstrafe im besonderen inszeniert hat. Ebenso wie Langs Debüt »Blinde Wut« (»Fury«) mit Spencer Tracy zeigt Lang eine Zivilisation, die ihre eigenen Verbrecher schafft (»They Made Me a Murderer«, sagt Fonda), in der niemand von seinem vorbestimmten Pfad abweichen kann, auch wenn er sich noch so sehr dagegen wehrt. Weder die Liebe einer Frau (Sylvia Sidney) noch Recht und Gesetz oder gar Religion (der Pfarrer in der Todeszelle) können Fonda vor seinem Schicksal bewahren, das er teilweise selbst verschuldet hat. Sich dagegen auflehnen oder fügen - die Konsequenzen sind die gleichen.

Mit »Gehetzt« ist Fritz Lang ein Film Noir gelungen, bevor es den Film Noir überhaupt gab. Sein Zynismus und die desillusionierende Weltsicht verpackt er in Bilder voller ungewöhnlicher Kamerapositionen und bedrohlicher Schatten. Mit dem Kriminal-Melodram hat er das perfekte amerikanische Genre für seinen Stil gefunden. Der Kampf des einzelnen gegen sein Verhängnis zeichnet alle großen Werke Langs aus. In späteren Filmen wie »Scarlet Street« (1945) hat er diesen Kampf mit deutlich mehr Ironie und publikumsfreundlicher in Szene gesetzt.

»Gehetzt« ist frei von jeder Ironie, nicht einmal sein hohes Alter haben seine ernüchternde Wirkung geschmälert. Ein Film, der heute noch genau ins Herz trifft und den Zuschauer hilf- und hoffnungslos zurücklässt.